Zensus 2011 – Erneut Verfassungsbeschwerde eingelegt

Die Verfahren gegen den Zensus 2011 gehen in die letzte Runde:

Am Montag wurde erneut eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Zensus 2011 erhoben. Es wird gerügt, dass einzelne Normen des ZensG bzw. die Urteile der befassten Gerichte den Beschwerdeführer zum einen in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und zum anderen in seinem Grundrecht auf den gesetzlichen Richter verletzen.

Das Gerichtsverfahren des Beschwerdeführers blieb auch in letzter Instanz erfolglos. Daher konnte nun Verfassungsbeschwerde erhoben werden. Der Betroffene klagte vor dem Verwaltungsgericht Hannover gegen einen Bescheid der Behörde, weil er im Rahmen der sog. Haushaltsstichprobe zur Auskunft herangezogen werden sollte. Demnach musste er Auskunft über die in § 7 Abs. 4 und 5 ZensG genannten persönlichen Daten erteilen. Dies hätte auch mit Hilfe von Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden können, die vorliegend auch angedroht und festgesetzt wurden. Für die Heranziehung zur Stichprobe sind überdies bereits Daten durch den sog. Registerbezug erhoben worden.

Der Kläger begehrte mit seiner Klage die rechtliche Überprüfung des Zensus 2011: Hinsichtlich der Einhaltung von Datenschutzvorgaben und der Europarechtskonformität des Zensus 2011. In der Folge ist das Verfahren auszusetzen und dem EuGH und BVerfG zur Entscheidung über die Auslegungsfragen und der Verfassungswidrigkeit vorzulegen. Hieraus hätte sogar ein Amtshaftungsanspruch oder der komplette Stopp des Zensus erwachsen können.

Im Verlauf des Gerichtsverfahrens erklärte die Behörde schließlich, dass sie nicht länger an der Auskunftsverpflichtung festhalten könne und das Verfahren sodann erledigt sei, da das Statistische Bundesamt das Register für den Zensus 2011 bereits geschlossen hatte. Das Einpflegen der Daten sei somit nicht mehr möglich. Zwar musste der Beschwerdeführer in der Folge keine Auskunft über persönliche Daten mehr geben, er wollte die Rechtswidrigkeit des Bescheids  trotzdem feststellen lassen, um so seine Rechte zu sichern und Gewissheit auch im Nachgang zu haben. Die weiteren Rechtsbehelfe blieben jedoch ohne Erfolg.

Der Beschwerdeführer rügt u.a. die Europarechtswidrigkeit des Zensus 2011, da dieser keine eigenen europaarechtskonformen Regelungen zum Datenschutz treffe und er so in seinem Recht auf Informationelle Selbstbestimmung verletzt sei. Denn das anwendbare Bundesdatenschutzgesetz treffe für einen Fall wie diesen niedrigere Datenschutzbestimmungen als von der Europäischen Datenschutzrichtlinie vorgegeben.

Außerdem hätten die mit dem Fall befassten Fachgerichte ein sog. Vorabentscheidungsverfahren einleiten müssen. Demnach hätte der Datenschutz im Wege der richtlinienkonformen Auslegung an die Europäische Richtlinie „angepasst“ werden sollen. Diese Entscheidungsbefugnis liegt jedoch beim Europäischen Gerichtshof.

Die oben erläuterten Rechtsverletzungen wurden nun vor dem Bundesverfassungsgericht im Wege einer (Urteils-) Verfassungsbeschwerde geltend gemacht. Wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Im Juli 2010 wurde im Vorfeld des Zensus 2011 bereits eine Verfassungsbeschwerde gegen das gesamte Zensusgesetz erhoben. Diese wurde jedoch aus rein formalen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen: Es reiche „regelmäßig nicht aus, das gesamte Gesetz zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde zu machen. Notwendig ist vielmehr die exakte Bezeichnung der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Bestimmungen.“ Eine inhaltliche Auseinandersetzung erfolgte nicht.

Im Gegensatz dazu greift die jetzt erhobene Verfassungsbeschwerde einzelne Normen des Gesetzes an, die den Beschwerdeführer unmittelbar betreffen (Haushaltsstichprobe).

Eine weitere Verfassungsbeschwerde wurde in einem ähnlich gelagerten Verfahren schon im Juli 2013 erhoben. Auch hier wurde die Verfassungsbeschwerde aus formellen Gründen abgelehnt: Demnach käme der Verfassungsbeschwerde keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu bzw. sie sei nicht geeignet, um die Rechte der Beschwerdeführer durchzusetzen.

In einem anderen Fall steht vor dem VG Bremen eine mündliche Verhandlung an, auch hier begehrt eine Bremerin die Vorlage an das Hohe Gericht.

Über Kanzlei Dworschak

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2 Antworten zu Zensus 2011 – Erneut Verfassungsbeschwerde eingelegt

  1. Maha schreibt:

    Hallo. Gibt es etwas Neues zu dieser Verfassungsbeschwerde? Ist die Beschwerde angenommen worden?

    • kanzleileschdwor schreibt:

      Hallo, leider wurde auch diese Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Es wurde nur eine sehr kurze Begründung angeführt: So führt das Gericht aus, dass die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wurde, da keine sog. Annahmegründe vorlägen. Solche wären zum einen die grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung der Beschwerde oder zum anderen die Durchsetzung von Grundrechten (vgl. § 93a BVerfGG).

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